Nach 71 Jahren wieder Sperrstunde

Kreuzberger Nächte sind lang – aber nicht mehr lange. Ab heute gilt erstmals seit 1949 wieder eine Sperrstunde in Berlin. Ab 23:00 Uhr müssen alle Restaurants und Bars in der Hauptstadt dicht machen. So will es der Senat, die Wirte fluchen.

Auch im Touristen-Hotspot Mitte müssen eine Stunde vor Mitternacht die Bürgersteige wieder hochgeklappt werden. Öffnungszeiten bis 3:00 Uhr und länger sollen der Vergangenheit angehören. Zumindest so lange wie Mitte ein Corona-Hotspot ist.

 

Bereits im Sommer hatte Berlin schon mal eine Sperrstunde eingeführt, die aber wegen des Lockdowns nicht als solche wahrgenommen wurde. Vielmehr freute sich die einstige Party-Hauptstadt über die bis 23:00 Uhr erweiterten Öffnungszeiten, nachdem das soziale Leben wegen Corona in eine Zwangspause geschickt worden war.

Übrigens wurde die Sperrstunde in Berlin vor gut sieben Jahrzehnten abgeschafft. Dem West-Berliner Gastronomen Heinz Zellermayer wird nachgesagt, dass er im Juni 1949 den US-Stadtkommandanten General Frank Howley mit einer Flasche Whiskey überzeugt habe, die Sperrstunde im Westteil der Stadt abzuschaffen.

Das erste Medien-Schiff der Welt

Der Anspruch ist hoch: Den Journalismus neu erfinden – das will Gabor Steingart mit seinem Medien-Schiff „Pioneer One“. Seit dem Frühjahr kreuzt es im Berliner Regierungsviertel auf der Spree als „schwimmende Bühne für den Journalismus einer neuen Zeit“. Zeitgemäß mit Elektromotor.

Ausgestattet mit mit einem Newsroom, einem Tonstudio, zehn dauerhaft installierten Kamerad sollen alle Digital- und Live-Inhalte auf dem 40 Meter langen und sieben Meter breiten Medienschiff produziert werden. Gesteuert wird die Produktion von broadcastfähigen Audio- und Video-Formaten von einem eigenen Regieraum.

 

Die „Pioneer One“ ist nach eigener Darstellung das „erste Redaktionsschiff der Welt“. Nicht nur unter Deck werden die Inhalte – neudeutsch: Content – produziert. Auch auf Deck können es sich die Journalisten bequem machen. Die Aufmerksamkeit ist ihnen so oder so sicher.

Alle Mitarbeiter werden auf Steingarts hohen Anspruch eingeschworen. „Wir verstehen uns als Patrouillenschiff der Demokratie – unabhängig von Parteien, Lobbygruppen und Werbeindustrie, transparent und meinungsfreudig.“

 

Meinungsfreudig mag stimmen, denn Steingart bläst ein scharfer Medien-Gegenwind ins Gesicht. Aber ob es immer transparent zugeht, sei mal dahingestellt. Denn mancher Sponsor wurde zunächst nicht genannt.

Eines jedenfalls ist klar: Alles geht in Richtung Digitaljournalismus. Selbst das „Morning Briefing“ Steingarts gibt es nur als Podcast. Digital abgegangene Politiker rufen da gern mal: Schiff ahoi!

100 Tage Corona-Warn-App

Lange hat es gedauert, bis Deutschland in der Corona-Zeit digital aufgewacht ist. Doch vor genau 100 Tagen kam sie: die Corona-Warn-App. Mittlerweile ist sie 18,2 Millionen mal heruntergeladen worden.

Datensparsamkeit ist vielleicht das beste Argument gegenüber anderen Apps. So urteilt ein irisches Forscherteam, dass „von allen nationalen Apps“, die sich das Team angesehen habe, „die deutsche unter Datenschutzaspekten technisch vielleicht die sauberste“ sei.

 

Bei allen anfänglichen Schwierigkeiten, die es mit der App gab, lohnt es jedenfalls, mitzumachen. 

Corona: 2.297

Das ist die aktuelle Zahl der gemeldeten Neuinfektionen mit dem Corona-Virus in Deutschland – so hoch wie seit April nicht mehr. Diese Zahl war sei dem Frühjahr zunächst tendenziell gesunken, seit Ende Juli aber ist sie wieder angestiegen. Das bisher niedrigste Niveau wurde am 14. Juni mit 315 Neuinfektionen registriert.

Seit Tagen liegt die Masse der positiven Virus-Befunde nun wieder teils deutlich über 1.000. Das lässt sich nach Angaben des Robert-Koch-Instituts RKI aber nur zum Teil auf verstärkte Tests zurückführen. Offenbar ist das Infektionsgeschehen insgesamt wieder angestiegen. Kommt ein heißer Herbst?

Berlin leuchtet – Special Edition 2020

In diesem Jahr ist alles anders: Auch das Festival of Lights kommt 2020 mit einer Special Edition. Eine Woche im September statt im Oktober erstrahlen zahlreiche Gebäude in der Innenstadt im Lichterglanz – wegen Corona sind es aber weniger als in den vergangenen Jahren, um den Besucherstrom zu entzerren.

Immer ein Blickfang: der Berliner Dom. Der sonst illuminierte Fernsehturm macht diesmal nicht mit, kann aber immer noch als schöne Kulisse dienen. Im neuerbauten Berliner Schloss strahlen schon die Lichter in den ersten Fenstern.

 

Rund 100 strahlende Kunstwerke sind an 86 Orten über Berlin verteilt. Die leuchten täglich vom 11. bis 20. September zwischen 20:00 und 24:00 Uhr. Die Organisatoren haben angekündigt, die „Erleuchtung“ vorübergehend auszusetzen, sollten sich die Besucher in Corona-Zeiten nicht an die Abstandsregeln halten.

Wie in den Vorjahren ist der Bebel-Platz eine der ersten Adressen für die Besucher. Zwischen Staatsoper, Hedwigs-Kathedrale und Juristischer Fakultät der Humboldt-Universität lassen sich die Illuminationen wunderbar erleben. Natürlich immer mit Abstand.

 

Bereits zum 16. Mal findet in diesem Jahr das „Festival of Lights“ in Berlin statt, nur eben etwas kleiner und auf viele Orte in der Stadt verstreut. Das Motto eint: „Together we shine“. Und in ein paar Tagen kommt zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit ein Special vom 2. bis 4. Oktober hinzu.

Auch 2020 ist das Bode-Museum ist wieder dabei. Gegenüber hat sich ein Straßenmusikant aufgebaut – und bringt lateinamerikanische Musik. Nur lauschen in diesem Jahr deutlich wenige Touristen den schönen Klängen.

 

Übrigens: Nächstes Jahr bekommt das „Festival of Lights“ einen kleinen Bruder. Im Frühjahr wollen Lichtkünstler vom 4. bis 14. März 2021 das Frühlingserwachen mit einem „Spring Light Festival“ zelebrieren.

Friede, Freude und ein Stupa

Stupa ist männlich. Der Stupa symbolisiert Harmonie und Liebe. Das Monument fördert das äußere Gleichgewicht und den Unmengen Frieden. Auch in Berlin. Von 2014 bis 2019 dauerte der Bau dieses Stupa. Die Ausstrahlung beruht auf den geweihten Beigaben – von vielen spirituellen Plätzen der Erde und von allen Glaubensrichtungen.

Hier handelt sich um ein Kadam Stupa, der sich durch eine glockenähnliche Form auszeichnet. Diese Form geht zurück auf den indischen Gelehrten Atisha, der im 11. Jahrhundert die Lehren des Buddha nach Tibet brachte.



Traditionell wird der Stupa in Uhrzeigerrichtung umrundet. Er ist ein Ort für starke Wunschgebete. Bei den kreisförmigen Bewegungen sollen sich der Körper entspannen und der Geist für Ruhe, Gelassenheit und Frieden öffnen. So soll es Buddha gelehrt haben.

Die Form des Stupa im Bezirk Friedrichshain entspricht dem auf der Spitze des Mahabodhi-Tempels im indischen Bodhgaya. Hier erlangte Buddha seine Erleuchtung. Er ist der wichtigste Pilgerort für Buddhisten.


Heute kümmert sich das Bodhicharya Zentrum für Frieden und Verständigung um dieses Kleinod in der Kinzigstraße 25-29, das – etwas versteckt – mit seinem schönen Garten auch Besucher zum Verweilen und Innehalten einlädt. Einfach mal hingehen. Wann haben Sie zum letzten Mal eine tiefe Ruhe gespürt?

Die Zukunft beginnt: Friedrichstraße ist autofrei

Berlins frühere Flaniermeile gehört wieder den Fußgängern und Radfahrern. Für ein paar Wochen ist der Autoverkehr verbannt – zumindest auf 500 Metern zwischen Französischer Straße und Leipziger Straße. Und der Versuch wird – entgegen allen Unkenrufen – offenbar gut angenommen.

Auch für Fahrradfahrer gilt ein Tempolimit: 20 km/h. Damit sollen sogenannte Kampfradler etwas ausgebremst werden. Denn dieser Abschnitt der Friedrichstraße soll den Fußgängern gehören.



Einer der Köpfe des Projektes ist Stadtplaner Stefan Lehmkühler. Er ärgert sich über den Vorwurf, dass hier eine „Fahrradautobahn“ geschaffen wurde, die auf Kosten der Fußgänger gehe. Auf den Bürgersteigen sei genug Platz zum Flanieren. Und das ist wohl auch richtig.

Einer der Läden, die das Angebot für ein „mobiles Schaufenster“ nutzen, ist das Bürgel-Haus. Sie verstehen den Widerstand gegen das Pilotprojekt nicht. Und hoffen auf mehr Besucher. Denn Touristen würden ja kaum mit dem Auto zum Einkaufen fahren.



„Mobile Strassenbäume“ sollen neben den „mobilen Schaufenstern“ die sonst so befahrene Friedrichstraße etwas entschleunigen und zum Verweilen einladen. Denn an normalen Tagen fahren 6.800 Autos die Straße entlang – meist nur durch, wie die Stadtplaner ermittelt haben.

Ein Hauch von Paris kommt nach Berlin. Mit den Sitzgruppen und Cafés auf der Straße ist die Stimmung entspannter. Und erste Geschäfte erzählen wenige Tage nach dem Start am 29. August, dass endlich auch die Kundschaft wieder reinschaut.


„Einkaufsstraßen haben Zukunft, wenn der öffentliche Raum nicht durch den motorisierten Individualverkehr dominiert wird“, sagt der Bürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel. Ende Januar 2021 ist der Versuch zu Ende. Dann wird abgerechnet.

Der Döner ist ein Berliner

Berlin ist die „Hauptstadt des Döners“. Mehr als 1.000 Läden gibt es hier mittlerweile, in denen diese – nach der Curry-Wurst – zweitbeliebteste Speise der Hauptstädter verkauft wird. Und offensichtlich schmeckt nicht nur den Menschen dieser wunderbare Snack.

Kadir Nurman steckte 1972 als Erster das Fleisch in einen Fladen und verkaufte das an seinem Stand am Kurfürstendamm. So hatte der türkische Gastarbeiter den Döner erfunden. Zunächst war es nur das Fleisch, später kam der Salat hinzu. Von Berlin aus trat der „türkische Döner“ dann seinen Siegeszug an.

Ein Stück Magie: Christo und Jeanne-Claude

Es sollten immer nur temporäre Kunstwerke sein, die das Ausnahme-Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude erschufen. Aber ihre außergewöhnlichen Arbeiten haben Millionen erfreut und bleiben ewig in Erinnerung. Jetzt hat ihnen Berlin eine Ausstellung gewidmet. Zu recht.

Im Palais Populaire werden rund 70 Werke gezeigt, von aus den Anfängen, als es noch um in (durchsichtige) Folien verpackte und mit Schnüren umwickelte Alltagsgegenstände ging, über frühe Zeichnungen bis hin zu Ideenskizzen für geplante Projekte und Konstruktionsanleitungen.

 

Zu sehen sind einige der visuell atemberaubenden Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts: Valley Curtain in Colorado (1970-72), Sourrounded Islands in Miami (1980-83), The Umbrella in Japan und Kalifornien (1984-91) und natürlich der verhüllte Reichstag in Berlin (1971-95). Und auch, wie alles begann.

Für seine ersten „Packages“ verwendete Christo Alltagsgegenstände – vom Zeitschfriftenstapel über Flaschen bis zu Telefonen. Er umwickelte sie zunächst mit Stoff, später mit Kunststofffolie und verschnürte diese. Dies sollte als Antithese des aus Osteuropa geflohenen Künstlers zur kapitalistischen, stromlinienförmigen Verpackung gesehen werden, durch die nur die Hülle attraktiver und verführerischer gemacht werden sollte.

 

Sämtliche Projekte des Künstlerpaares wurden ausschließlich über den Verkauf von Vorstudien, Zeichnungen, Collagen, Originallithografien und Editionen ermöglicht. Christo und Jeanne-Claude akzeptierten keine Fördermittel – weder aus öffentlicher noch aus privater Hand. Das machte sie nicht nur künstlerisch unabhängig.

Christo hatte auch ein Gespür für weltbewegende Ereignisse. Besonders deutlich wurde dies wohl bei der spektakulären Verhüllung des Berliner Reichstages im Sommer 1995, die über fünf Millionen Besucher aus aller Welt anlockte. Für zwei Wochen herrschte eine magische Stimmung rund um das silbern glitzernde Bauwerk.

 

1961 machte Christo übrigens erstmals den Vorschlag, ein öffentliches Gebäude zu verhüllen. Er lebte damals in Paris in der Nähe des Triumpfbogens. Ein Jahr später legte er folgerichtig den ersten Entwurf der Verhüllung dieses Bauwerks vor. Aber erst 2018 beantragte Christo offiziell eine Genehmigung, und schon 2019 gestatte das Centre des Monuments Nationaux die Realisierung.

Seit dem Tod seiner Frau 2009 führte Christo die geplanten Vorhaben allein weiter. Auch nach dem Tod von Christo 2020 sollen die Arbeiten weitergeführt werden. Vom 18. September bis 4. Oktober wird in Paris der Arc de Triomphe mit 25.000 Quadratmetern recycelbarem silberblauer Polypropylenfolie verhüllt und mit 7.000 Metern roten Seil verpackt.

 

Ein Objekt harrt noch der Realisierung: The Mastaba. Noch existieren davon nur großformatige Zeichnungen. Sollte es je verwirklicht werden, dann würde die größte Skulptur der Welt aus 410.000 bunten Fässern in der Wüste von Abu Dhabi entstehen. Und anders als alles bisherige soll es dauerhaft installiert werden. Christo forever.