Eine Kuppel ohne Gott

Es wird ein neues Wahrzeichen Berlins: das Schloss. Und mit ihm seine Kuppel. Jetzt wird ernsthaft diskutiert, ob sie ein christliches Kreuz tragen wird. Ob das für den Wiederaufbau des Preußen-Schlosses angemessen sei. Was für eine komische Debatte – schließlich befand sich in dem prunkvollen Achteck darunter die alte Schlosskapelle. Bis zu 600 Menschen konnten hier dem Gottesdienst lauschen.

Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus: Erst schaut sich keiner die Pläne an, in denen das Kreuz letztlich als historisches Element des Schlosses schon vermerkt ist. Und dann soll als Gegenstück das Wort „Zweifel“ angebracht werden, das nur wenige Monate den alten Palast der Republik bis zu seinem Abriss krönte. Äpfel und Birnen??

Aber allen Zweiflern zum Trost: Ein Nachbau der alten Schloss-Kapelle ist nicht vorgesehen. Vielmehr sollen in dem Saal künftig Wandgemälde aus buddhistischen Höhlenklöstern Zentalasiens gezeigt werden. Überhaupt: das neue Humboldt-Forum wird ein durch und durch säkulares Museum und Veranstaltungszentrum.

Kleine Randbemerkung: Das meterhohe goldene Kreuz war ursprünglich nicht vorgesehen, weil nicht im Finanzplan drin. Erst die großzügige Spende einer einzelnen Dame ermöglicht diesen Kreuznachbau.

Ratlos schön: Fassadenkletterer im Scheunenviertel

Ist das Kunst oder kann man das auch verstehen? Viele Zuschauer blickten etwas ratlos auf die Inszenierung „Equinox“ der Fassadenkletterer von Grotest Maru, die an diesem Wochenende die Auguststraße in Berlin Mitte eroberten. Aber bizarr und schön war es allemal.

Hand in Hand schweben eine Ägypterin und ein Deutscher an der Fassade – scheinbar der Schwerkraft enthoben. Ein Kunstprojekt, das Ländergrenzen überwinden will? Nein, eher die Grenzen von Zeit und Raum. „Equinox“ will einen Blick in die versunkene Bibliothek von Alexandria werfen.

Das Projekt ist eine Koproduktion der deutschen Compagnie „Grotest Maru“ aus Berlin und der ägyptisches Alternativen Theatergruppe I-Act aus Alexandrien. Deren erklärtes Ziel ist es, mit ihrer Performance zum Nachdenken anzuregen und den urbanen Raum zurückzuerobern. Das zumindest ist Ihnen in Mitte gelungen.

Für einen Tag war eine der wichtigsten Straßen im Scheunenviertel gesperrt. Die meisten Autofahrer ertrugen es mit Fassung, nur ein Porsche-Besitzer regte sich auf und drehte lautstark um.

Etwa 50 Menschen verfolgten das ungewöhnliche Spektakel im Scheunenviertel, auch wenn einige ratlos zurückblieben. Aber allein der Tanz auf der Fassade war es wert, kurz innezuhalten. Und vielleicht erhaschte jemand auch einen Tropfen Zeit.

Friedrich dem Großen

Über Rechtschreibung kann man ja heutzutage streiten. Aber das Denkmal im Volkspark Friedrichshain zeigt eben nicht einfach nur verherrlichend Friedrich II., der auch den Beinamen DER Große trug. Nein, es ist vielmehr von den Bürgern der Stadt „als ein Zeichen des Dankes“ ausdrücklich Friedrich DEM Großen gewidmet worden.

Die Inschrift auf dem Sockel lautet: „Seinen Mitbuergern die durch die Gruendung dieses Haines das Andenken an den grossen Koenig unsern Nachkommen bewahren wollen errichtete dieses Denkmal als ein Zeichen des Dankes der Buerger I.S.Freytag MDCCCXLVIII.“ Freytag war ein Berliner Schneidermeister und nicht zu verwechseln mit dem Schriftsteller gleichen Namens.

Übrigens verrät ein kleiner Blick auf die Rückseite der Büste, dass es mit dem Erinnern sowie dem Dank an den Preußenkönig nicht immer ganz so einfach war. Dort ist nämlich klein die Datumsangabe „Nov 1999“ eingeritzt. Denn die von Christian Daniel Rauch entworfene Büste verschwand 1952 spurlos. Ebenso der Denkmalsockel, der erst Jahre nach der Wende vom Grünflächenamt wiedergefunden wurde.

Keine Panik

Wie bitte? Keine Panik?? Der Mann heißt Udo Lindenberg und ist am 15. Mai immerhin schon 71 geworden. Jener Lindenberg, der in seinen wildesten Jahren schon mal zwei Flaschen Whisky pro Tag gekippt hat. Und dann tief in der Versenkung verschwand. Aber jetzt zeigt er es allen wieder: Sein neues Album „Stärker als die Zeit“ ist das wohl Stärkste seiner ungewöhnlichen Karriere. Und das Konzert in der Berliner Waldbühne auch!

Beste Bedingungen herrschen am Pfingstsamstag in Berlin, als Udo Lindenberg die Waldbühne rockt. Für 2 Stunden 25 Minuten ohne Pause. Und mit Otto, den Komiker, als Gaststar. Zusammen singen sie den Song „Highway to Hell“.

Das ganze Stadion steht, als die ersten Noten des Liedes „Stärker als die Zeit“ erklingt – es ist die Titelmelodie des TV-Klassikers „Der Pate“ von Francis Ford Coppola. Erstmals  haben seine Erben jemanden das Recht eingeräumt, das Lied mit einem Text zu versehen. Und das nutzt der Deutsch-Rocker für eine Hymne auf Familie, Clan und Blut. Geht unter die Haut!

Lindenberg ist es in seiner 55-jährigen Karriere gelungen, sich treu zu bleiben und gleichzeitig ständig zu erneuern. Und auch junge Leute anzusprechen und auf die Bühne zu holen. Wie dieses Mal: HipHop vom Feinsten.

Immer wieder schlägt die Stimmung in der Waldbühne hohe Wogen, fast alle Lieder können die Fans mitsingen. Und zuweilen gleichen die Ränge einem Lichtermeer, wenn tausende Taschenlampen Lindenberg entgegen funkeln. Eben doch: eine Familie.

Gespielt wird bis weit nach Sonnenuntergang. Mit dabei: Linksfraktionschef Dietmar Bartsch. Dem dürfte wohl vor allem der Song „Wozu sind Kriege da“ gefallen haben. Aber um 21.52 Uhr startete erst einmal der „Sonderzug nach Pankow“. Da ist es schon dunkel und nicht zu sehen, wie Bartsch das aufnimmt.

Es ist die besondere Mischung, die diesen Abend in der Nähe des Olympiastadions unvergesslich macht: ausgezeichnete Musik bei bestem Wetter mit einem bewegten Publikum in der einzigartigen Kulisse der Waldbühne Berlin. Dann sagen wir mal zum Schluss: Hallo, Hallöchen, Hallo! Und: Danke, Udo!

 

Zitat der Woche

Nostalgie ist die Vision der Konservativen.

Am Donnerstag hat der Bundestag den Weg für den Bau des Einheitsdenkmals vor dem Berliner Schloss freigemacht. Gegner laufen Sturm gegen diese „Einheitswippe“ und möchten lieber die preußischen Kolonnaden wiederhaben.

11.236

Das ist die Gesamt-Zahl der Eingaben, die im vergangenen Jahr den Bundestag erreichten. Bei 254 Wochentagen macht das umgerechnet 44 Zuschriften pro Tag! Und jede dritte kommt mittlerweile elektronisch an. Das geht. Denn gut zwei Millionen Menschen haben sich bereits auf der Internetseite des Petitionsausschusses registrieren lassen. Sie ist damit das erfolgreichste Online-Angebot des deutschen Parlaments.

Jeden Tag verbreitet der Bundestag seinen Informationsbrief „hib – heute im bundestag“. Eine zehnköpfige Redaktion listet penibel auf, welche Fraktion zu welchem Thema eine parlamentarische Initiative gestartet hat. Wer also Neues aus den Ausschüssen erfahren will, der wird hier fündig. So wie zu den Petitionen.

Übrigens: Am beschwerdefreudigsten sind Berliner und Brandenburger, während die Länder Bremen und Baden-Württemberg auf den letzten Plätzen der gesamtdeutschen „Maul-Skala“ liegen.

Es lebe der Burger

Vegan ist die Zukunft. Heißt es. Aber nicht in Mitte! Jahrelang hat ein kleiner Laden im Berliner Regierungsviertel gekämpft – und jetzt verloren. In nur wenigen Tagen fand sich ein potenter Nachmieter. Ein BURGER-Laden! Was zeigt uns das? Fleischklopse gehen immer.

Unten ist noch die alte Inschrift von Bio bis Vegan zu sehen. Oben prangt schon das neue Burger-Etikett. Eine kleine Beruhigung für die wenigen Stammkunden: Zwischen all den Klopsen soll es auch einen vegetarischen Burger geben. Na denn: Guten Appetit.

Übrigens: Das Wort „vegan“ kommt aus dem Englischen und ist eine Abkürzung des allseits bekannten Begriffes „vegetarian“ – hier also die Kombination aus der ersten Silbe (VEG) und letzten Silbe (AN). Dies soll sagen, dass die vegetarische Haltung konsequent zu Ende gedacht und gelebt wird.

Lügenpresse AfD

Es gibt sie, die Macht des Faktischen. Immer wieder attackiert die AfD die Medien als gemeine Lügenpresse. Und am Tag nach der Schleswig-Holstein-Wahl kommt dann doch die versammelte Parteispitze ins Haus der Bundespressekonferenz, um ihre 5,x Prozent zu feiern.

Friedlich vereint – und ohne die auf dem jüngsten Parteitag abserviertes Frauke Petry. Interessant ist die Figur links: Alice Weidel. Studierte Ökonomin mit Wohnort in der Schweiz und jahrelang bei einem chinesischen Unternehmen gearbeitet. Wie passt das zur rechtskonservativen Alternative??

Pikant: Im Foyer der BPK hatte sich auch die Spitze der Linken versammelt, die nach der AfD mit ihrer Pressekonferenz an der Reihe war, die aber lieber an der Kaffeebar sitzen blieb. Hätte nur ein Foto von Linken-Parteichef Riexinger mit AfD-Vize Gauland gegeben. Und das wäre gar nicht gut gekommen…

Bomben bringen Beifall

100 Tage Donald Trump: Nein, die Welt ist nicht eingestürzt. Nein, Mexiko ist immer noch nicht eingezäunt. Und nein, der Bruderkuss mit Putin ist auch noch nicht vollzogen. Da wäre es doch Zeit, sich entspannt zurückzulehnen. Getreu dem Motto: Lächeln und winken. Wenn wir da nicht etwas übersehen würden.

Denn da ist etwas, das selbst erfahrenen Politikprofis Sorgen bereitet, weil sie es erst in einigen Jahren für möglich hielten. Ihr Argument: Alle US-Präsidenten haben, wenn es innenpolitisch nicht so lief, die außenpolitische Karte gespielt. Und was ist besser, um das Volk hinter den Oberbefehlshaber zu bringen, als genau dieses Amt in den Fokus zu rücken.

Kurz: es droht Krieg. Nein, keiner möchte dieses Wort wirklich aussprechen. Konflikt zu sagen, ist viel besser. Oder von einer Unterstützung der Alliierten zu reden. Verbunden mit der Bemerkung, dass „alle Optionen“ auf dem Tisch liegen. Wirklich? Alle?? Überall???

Die Frage ist: Wo lässt sich zündeln, ohne gleich wieder eine ganze Region ins Chaos zu stürzen? Nahost? Fällt aus, der Irak-Krieg hält immer noch irgendwie an. Nordafrika? Keine Interessen mehr, das sollen die Europäer schön selbst ausbaden. Schwarzafrika? Da hat ja nicht mal mehr CNN ein Interesse dran.

Bleibt Asien. Ist schön groß und weit genug weg. Aber Afghanistan bringt nichts. Haben wir gesehen. Und im Südchinesischen Meer rumzupöbeln, könnte nur eine Großmacht verärgern. Das passt gerade nicht, kommt also später. Erst einmal klein beginnen. Und da bietet sich ein ganz bestimmtes Land an: Nordkorea.

Die politische Klugheit würde es jetzt gebieten, kurz in die US-Geschichte zu blicken. Und vielleicht auch mal auf die Landkarte. Denn nicht nur Südkorea hat eine Grenze zu dem Regime, sondern auch China und – kaum bekannt – ein paar Kilometer auch Russland. Aber das zu tun, ist bekanntlich nicht die Art von Trump. Er denkt in Deals und hat gerade in Syrien gelernt: Bomben sind nicht nur was für Militärs. Nein, Bomben bringen Beifall. International.

Gerade deshalb: Gönnen wir Trump einen innenpolitischen Erfolg. Nicht nur rhetorisch. Sondern von ganzem Herzen.  Im wohlverstandenen eigenem Interesse.