Pornografie des Scheiterns

Die Demontage eines „Gottkanzlers“ ist 314 Seiten lang. Knapp ein Jahr hat der Autor Markus Feldenkirchen den einstigen Hoffnungsträger der SPD, Martin Schulz, auf seiner Wahlkampftour 2017 begleitet. Bis zum bitteren Ende. Herausgekommen ist ein Buch, das gruselt. Das die Macht von PR-Beratern zeigt. Und die Angst vor Stimmungen. Kann Politik manchmal wirklich so platt und gleichzeitig so gemein sein?

Zwei kurzweilige Stunden liest und diskutiert Feldenkirchen im Tipi am Kanzleramt vor ausverkauftem Haus. Danach signiert er noch sein Buch – und sagt auf die Frage, ob ihn dieses überzogene Wahlkampfgehabe der PR-Berater wirklich überrascht habe: „Ja. In der Intensität hatte ich mir das nicht vorstellen können.“

Politisch weniger geschockt zeigt sich im Radio-eins-Talk der neue Grünen-Chef Robert Habeck. Das könnte generell jedem Politiker passieren. Aber dieser jähe Absturz, so seine Analyse, sei weniger unfähigen Beratern zuzuschreiben, sondern letztlich das Produkt eines überforderten Schulz selbst: „Es war nicht kanzlerreif, wie er den Wahlkampf geführt hat.“

Was kann ein Buch über einen Wahlkämpfer sagen, der so kläglich gescheitert ist? Was über den porträtierten Menschen? Gerade nach so einem Ende? Habeck prägt da spontan den Jahrhundertsatz: „Aus der Erotik des Beobachtens ist eine Pornografie des Scheiterns geworden.“

Nein, Feldenkirchen ist hier kein Vorwurf zu machen. Wirklich nicht. Minutiös listet er als neutraler Beobachter nur die Höhen und Tiefen des gehypten Schulz-Zuges auf. Und fügt mit Blick auf den Berliner Politikbetrieb süffisant hinzu: „Die beliebteste Form der Intrige ist das Hintergrundgespräch.“

andre
Es muss nicht immer Paris, Rom oder Moskau sein. Auch Berlin ist reich an unentdeckten Ecken, ständig in Bewegung und fantastisch anzuschauen. Einfach die schönste Stadt im Erdenkreis.

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